Einleitung und Kommentar

Vorwort

Nachdem unser Vater, Dietrich Teich, im Mai 1987 starb, fanden meine Geschwister und ich beim Räumen seines Hauses in Meldorf (Dithmarschen) auf dem Dachboden zwischen Briefen und anderen Familienunterlagen ein altes, abgenutztes, schlichtes Buch im Oktavformat (Abmessungen ungefähr 16,8 x 20,8 cm), gebunden, äußerlich ohne Titelangaben, mit Vorder- und Rückseite aus braunem Karton und und einem Rücken aus dünnem, naturfarbenem Leder. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um die handschriftliche Lebensschilderung eines uns bislang unbekannten Vorfahren, Johann Christian Teich, handelte. Wie aus dem Text und den Anmerkungen seiner Erben hervorgeht, wurde Johann Christian am oder um den 15. März 1763 in Kleinharthau bei Bischofswerda in Sachsen geboren. Nach den Angaben auf den Seiten 148 und 154 entstand das Buch im Winter 1818-1819.

Unsere Mutter, Brigitte Teich, nahm sich schließlich vor, eine Transkription des Textes auszuarbeiten, so dass Anfang 2007 der Rohtext elektronisch vorlag. Die Transkription wurde anschließend von mir geprüft, kommentiert, TEI-codiert und digital veröffentlicht.

Hinweise zur Benutzung

Redaktionelle Eingriffe in den Text sind farbig hervorgehoben wie folgt: Ergänzung, Korrektur und Streichung. Durch Beschädigung fehlende oder vom Verfasser gestrichene Passagen sind ebenfalls farbig hervorgehoben. Bei Bewegen des Mauszeigers über die betreffenden Stellen erscheint eine Erläuterung des jeweiligen Eingriffs. Ein eingerahmtes Fragezeichen ? signalisiert einen Kommentar des Herausgebers, der ebenfalls mit dem Mauszeiger aktiviert wird. Gestrichelt gekennzeichnete Orte sind durch Anklicken auf einer in einem gesonderten Fenster angezeigten Karte lokalisierbar.

Der Haupttext des Buches ist sowohl als reine Textausgabe, als Text mit nebengestelltem Faksimile der betreffenden Seite oder als Faksimile allein durchsehbar. Die gewünschte Ansicht kann im Menü links im Bild gewählt werden. Die Seiteneinteilung des Originals wurde auch im Textmodus beibehalten.

Veraltete, unübliche oder wegen der Schreibweise schwer verständliche Wörter werden in den Anmerkungen zum Text erläutert. Die teilweise veraltete, teilweise auch eigensinnige und oftmals inkonsequente Rechtschreibung und Zeichensetzung Johann Christian Teichs wurde grundsätzlich beibehalten, nur wurden vermutlich vom Verfasser unbeabsichtigte Schreibfehler korrigiert.

Reinhold Mitter über Johann Christian Teich

Im Jahr 1925 erschien in den Zittauer Geschichtsblättern eine Reihe von Artikeln über Johann Christian Teichs Aufzeichnungen.?Siehe Dokumente Die beiden ersten der von Reinhold Mitter verfassten Artikel erschienen unter dem Titel Johann Christian Teich, ein sächsischer Dorfphilosoph in den Nummern 5 und 6 jenes Jahrganges.?Auch als Beilage zu den Zittauer Nachrichten und Anzeiger als Zittauer Heimatblätter, Jahrgang 1925, Nr. 11 und 14 veröffentlicht. Eine Fortsetzung wurde angekündigt, ist jedoch weder in den folgenden Nummern des selben Jahrganges noch in den darauffolgenden Jahrgängen (bis mindestens 1929) zu finden.

Hauptanliegen der Artikel Reinhold Mitters ist es, die „innere Entwicklung Joh. Chr. Teichs“ darzustellen und das, wodurch „sich dieser einfache Mann ungemein hoch über seine Mitmenschen [...] emporgehoben hatte“ hervorzuheben, wobei allerdings schwer nachvollziehbare Urteile den Gesamteindruck mitunter stark beeinträchtigen. So beginnt Mitter z.B. seinen Bericht mit einer für seine Zeit nicht untypischen, aber heute kaum vertretbaren Verknüpfung von Anthropometrie und Psychologie, indem er Charakterzüge des Menschentypus „Dorfphilosoph“ mit einer bestimmten Physiognomie verbindet. Dies ist um so unverständlicher, als die wenigen Detailangaben über die Statur des Verfassers (ein Knabe „von dicken schwulstigen Wuchse, mit blaßem Gesicht, schwehren Oden und immer nagenden Husten, dicken Leib und Kopfe“ [Seite 8]) ganz und gar nicht mit den Merkmalen des Mitterschen Dorfphilosophen („hagere Gestalt und ein langes, schmales Gesicht“) übereinstimmen. Offenkundig sinnlos ist etwa auch das Urteil Mitters, das von Johann Christian Teich gelieferte Charakterbild des Schwiegervaters sei „lebenswahr und treffend“.

Gewiss aber hat Mitter recht in seinem Urteil, dass Johann Christian Teich sich durch seine Belesenheit, vielseitiges Interesse und der Neigung zu Grübeleien vom Durchschnittsbewohner Kleinharthaus unterschied. Doch scheint Mitter der kritische Blick zu fehlen, mit dem der Text notwendigerweise auch zu lesen ist. Man sollte sich bei der Lektüre vor Augen halten, dass Johann Christian Teich sein Leben so schildert, wie er es in seinen letzten Lebensjahren rückblickend selbst sieht oder gar darzustellen wünscht. Die von Mitter festgestellte „unbedingte Wahrheitsliebe“ ist mangels anderer Zeugen schwer nachweisbar. Auch die „innere Zufriedenheit“ Johann Christian Teichs mag eher Ausdruck einer Resignation sein, die im Alter eine gewisse Zufriedenheit und Seelenruhe hervorzubeschwören sucht. „Die von der Durchschnittsmenschheit so viel und so heiß begehrten Eitelkeiten dieser Erde, Reichtum, Ehre und Genuß, galten ihm wenig oder gar nichts“, schreibt Mitter, doch blieb Johann Christian Teich ja gar keine Wahl. Was immer er auch zusammenzusparen vermochte, verlor er durch das unglückliche Schicksal wieder, wie er selbst mit Bedauern feststellt.

Mitters Artikel sind jedoch aus anderer Sicht aufschlussreich, indem sie Hinweise über die Überlieferung und den Zustand des Buches um 1925 geben, so z.B. die Angabe, dass bereits zu dem Zeitpunkt zwölf Seiten gegen Ende des Texts herausgeschnitten waren. Wie aus dem Kontext ersichtlich ist, beschrieben die fehlenden Seiten die religiösen Ansichten des Verfassers in seinen letzten Lebensjahren. Diese waren allem Anschein nach einer späteren Generation derart zuwider, dass man es für nötig hielt, die entsprechenden Seiten zu vernichten oder zumindest vor der Nachwelt zu verbergen. Mitter vermutet, dass Johann Christian Teich um 1825 starb.

Überlieferung

In Johann Christian Teichs Buch sind mehrere nachträglich eingetragene Bemerkungen über die Überlieferung des Textes zu sehen. Folgendes ist auf den letzten Blättern des Buches zu lesen, mit Bleistift eingetragen:

den 21. Oktober 1821 dem Autor ein Enkel Karl geb.
den 30. Sept. 1825 - - - - Heinrich geb.
den 13. April 1833 des Letzteren Frau Amalie geb.
den 18. Juli 1858 - - - Sohn Paul geb.
den 1. April 1860 - - - Tochter Martha geb.
den 25. Juli 1862 - - - Zwillinge Martin und Alma geb.
den 18. Juli 1864 - - - Söhnchen Justus, gest. 10 Tage alt
den 6. Juli 1865 - - - Tochter Agnes geb.
den 10. März 1867 - - - Sohn Karl geb.
den 11. Mai 1869 - - - Tochter Marie geb.
den 30. August 1870 - - - Sohn Georg geb.
den 16. Juni 1872 - - - Sohn Alwin geb.
den 25. Januar 1875 - - - Tochter Laura geb.
Am 1. April 1873 Versetzung nach Penig ?Bei Chemnitz 

Es wird jetzt erst von mir die Nachricht vermißt, ob nicht meine Großmutter auch eine geb. Teich war, die in demselben Hause zu Großharthau b. Bischofswerda geboren und gestorben ist, wo mein Vater und ich geboren sind.

Der Autor dieser Erzählung ist geboren und dessen Vater hatte eine Besitzung in Kleinharthau, unweit von der jetzigen Eisenbahnhaltestelle Harthau. Noch früher hat es unter meinen Vorfahren auch einen Ortsrichter Teich gegeben, von welchem sich in der Gemeinde Luda noch viele Schriften vorfinden sollen. ?Gemeint ist vermutlich Johann Andreas Teich, Richter in Harthau, von dem angeblich eine Handschrift mit dem Titel Harthauer Alte Wissenschaften (um 1750?) existiert. Der Name kommt dort oft vor, und ich glaube, in den alten Hauscontracten den Namen „Teich“ gelesen zu haben. Ich war etwa 18 Jahre alt als Großmutter (väterlicherseits) ?D.h. Rosina, die Frau des Verfassers 73 Jahre alt, starb.

Nachträglich näher bemerkt von Heinrich Traugott Teich, Amtsstraßenmeister seit 1840, pensioniert am 14.9.1901

Die zahlreichen Unterstreichungen im Text stammen vermutlich ebenfalls von Heinrich Traugott. Seine Handschrift ist auch in mehreren Bleistiftanmerkungen auf Seite 88 und anderswo zu sehen. Die am Blattrand mit blauem Farbstift eingetragenen Bemerkungen auf den Seiten 61 und 182 und die Durchstreichungen Seite 182 und 195 (vor und nach den fehlenden Seiten) stammen vermutlich ebenfalls von ihm, wie auch das mit Tinte hinzugefügte Urteil „Verirrung“ auf Seite 195.

Auf der Rückseite des Titelblattes ist mit Tinte, ebenfalls viele Jahre später, folgender Hinweis hinzugefügt worden: Hierzu ein ähnlicher Band „Das Trübsäligste Jahr meines Lebens“ von demselben Verfasser: Johann Christian Teich. Der vollständige Titel dieses zweiten Bandes lautet nach Reinhold Mitter Das Trübsäligste Jahr meines Lebens. beschrieben in einer simpeln Erzehlung von Johann Christian Teich. Althäußlern in Harthau in den Jahren 1813. 14. u. 15. Das Buch umfasst angeblich 108 Seiten.

Im vorliegenden Band ist vor dem Titelblatt mit Tinte eine Überlieferungsgeschichte angedeutet:

Geschichte vererbt:
auf den Sohn Johann Christian Teich
- - Enkel Heinrich Traugott -
- - Urenkel Alwin Friedemar -

Der Name des letzteren ist jedoch mit rotem Farbstift durchgestrichen. Anscheinend hat stattdessen Urenkel Georg das Buch geerbt, denn es befand sich laut Reinhold Mitter bereits 1925 im Besitz des „Herrn Generaldirektors Georg Teich in München“. Georg Teich wanderte später nach Italien aus und schuf sich dort unter dem Namen Giorgio Teich als Steinbruchbesitzer ein beachtliches Vermögen. Von dort hat er beide Bände seinem Neffen Johannes Teich testamentarisch vermacht, wie aus den hinterlassenen Unterlagen des letzteren hervorgeht. Johannes Teich war der Sohn von Martin Gottschalk Teich, Georgs acht Jahre älterem Bruder. Georg hat den gelenkkranken Johannes mehrmals finanziell unterstützt und in einem am 5. Juli 1948 unterzeichneten Nachtrag zu seinem Testament?Siehe Dokumente folgendes niedergelegt:

Nach meiner Beobachtung geht meinem Sohne Werner Teich, Lohmühle, Mühldorf am Inn seit seiner Verheiratung ein pietätvolles Verständnis für die Sippe Teich ab. Er ist ein „Wolff“ geworden, ob zu seinem Vorteil sei dahin gestellt. Deshalb vererbe ich die nachfolgenden 3 ( drei ) Bücher auf meinen Neffen Johannes Teich ( Sohn meines verstorbenen Bruders Martin ) in Markersdorf bei Penig in Sachsen :

a.) die wertvolle [handschriftlich hinzugefügt: alte] Lutherbibel ( aus dem Jahre 1544(? ).

b./ zwei handschriftliche Bücher meines Urgrossvaters Christian Teich in Bischofswerda ( Niederlausitz ), nämlich:

1.) „Das unglückseligste Jahr meines Lebens“ ( eine Darstellung der Napoleonischen Zeit bis 1814 )

2.) „Die Unzulänglichkeit des menschlichen Lebens“.

Beide Bücher wurden vor etwa 25 Jahren in mehreren Aufsätzen, titoliert : „Der Dorfphilosoph Christian Teich“, in den Lausitzer Geschichtsblättern sehr anerkennend kommentiert.

Notabene : ich lege Johannes Teich in Markersdorf die Pflicht auf, seinerseits diese 3 Bücher auf das pietätvollste männliche Glied der nächsten Generation zu vererben, sodass die 3 Bücher immer in der Sippe Teich durch die Jahrhunderte verbleiben. Jetzt befindet sich die Bibel mit anderen Büchern, die ich auch dem Johannes Teich in Markersdorf stifte, in einem Koffer auf dem Kleiderschrank meines Schlafzimmers auf der Lohmühle, wo [sie] sofort zurückgezogen werden darf, während sich die beiden handschriftlichen Bücher im Tresor von Frau Schwiegenstein befinden und auszuliefern sind erst bei meinem Tode. – Den zukünftigen Geschlechtern der Sippe Teich sei gesagt: „Hundsfott“, wer diese 3 Bücher nicht pietätvoll achtet und hütet.

Das Vermächtnis wird in einer Neufassung des Testaments am 20. Dezember 1948?Siehe Dokumente. Beide Fassungen des Testaments befinden sich unter den Papieren Johannes Teichs (Familienbesitz) nochmals bestätigt, wenn auch weniger ausführlich:

Mein Neffe Johannes Teich, Markersdorf bei Penig/Sa. soll vermächtnisweise frachtfrei bis Station Penig in Sa. meinen Blüthnerflügel erhalten. Als weiteres Vermächtnis erhält er die handschriftlichen Bücher meines Urgroßvaters („Das unglückseligste Jahr meines Lebens“) und („Die Unzulänglichkeit des menschlichen Lebens“) und die alte Lutherbibel aus dem 16. Jahrhundert zugewendet.

Die Titel sind offensichtlich aus dem Gedächtnis zitiert, denn sie sind sämtlich (einschließlich der „Lausitzer“ Geschichtsblätter) ungenau. Auch bei der sogenannten Lutherbibel – über deren Verbleib heute ebenso wenig bekannt ist wie über denjenigen des zweiten Bandes Johann Christian Teichs – handelte es sich wahrscheinlich eher um Luthers Hauspostille, wie einer Berichtigung auf einem handschriftlichen Lieferschein?Siehe Dokumente in den von Johannes Teich stammenden Unterlagen zu entnehmen ist. Dem Lieferschein zufolge erhielt Johannes Teich bereits im November 1951, sechs Jahre vor Georgs Tod, die besagte Bibel bzw. Postille nebst einer Dokumentenmappe und Teilen einer von Georg Teich geschriebenen Familienchronik. Johann Christian Teichs Aufzeichnungen scheinen nicht in der Sendung enthalten gewesen zu sein, und sind wohl tatsächlich erst nach Georgs Tod 1957 in Johannes' Besitz gelangt. Wie sie von dort in den Nachlass unseres Vaters gelangten, ist ungeklärt. Es erinnert sich heute niemand in unserer Familie, je über die Bücher etwas gehört zu haben, auch meine Mutter nicht, die bis 1977 mit Dietrich Teich verheiratet war. Vermutlich aber hat Johannes Teich den ersten Band (und ferner einen Ordner mit Briefen und anderen Papieren vor allem mit Verbindung zu Georg Teich) schon relativ bald an seinen Bruder Alfred – unseren Großvater – weitergegeben, denn nach dem Tode Alfreds im Jahre 1965 brach Johannes Teich die Verbindung mit unserem Teil der Familie ab. Wahrscheinlich wurden bei dieser Gelegenheit – also vermutlich um 1960 – die Bücher getrennt, wodurch sowohl Das Trübsäligste Jahr meines Lebens als auch Luthers Hauspostille aus unserem Blickfeld verschwand. Es besteht immerhin noch die Hoffnung, dass auch der zweite Teil der Erzählung Johann Christian Teichs eines Tages wieder zum Vorschein kommt. Durch die Veröffentlichung des ersten Bandes sei zumindest die Aufforderung an ferne Verwandte gegeben, sich gegebenenfalls mit dem Herausgeber in Verbindung zu setzen.

Die Überlieferungsgeschichte des ersten Bandes lässt sich also wie folgt rekonstruieren:

Zusammenfassung und Bedeutung

Wie der Untertitel des verschollenen zweiten Bandes besagt, beschrieb Das Trübsäligste Jahr meines Lebens die ersten Jahre nach dem Krieg. Leider sind nur die letzten 1½ Spalten von Mitters zweitem Artikel Johann Christian Teichs zweitem Band gewidmet, und es beziehen sich diese auch nur auf die religiösen Anschauungen des Autors, die dieser auf den letzten acht Seiten des Buches darlegt. Es wird dadurch aber immerhin ein Eindruck von Johann Christian Teichs theologischen Erwägungen vermittelt, der in etwa die Lücke im vorliegenden Band ausfüllen mag.

Die religiösen Ansichten des zweiten Bandes verbinden offensichtlich die Überzeugung Johann Christian Teichs von dem göttlichen Ursprung der Welt mit einem starken Glauben an die Kraft menschlicher Vernunft. Laut Mitter geht Teich „von zwei Voraussetzungen aus, deren Geltung für ihn nicht weiter zu beweisen ist: 1. Gott ist der Schöpfer des gesamten Weltalls, demnach auch der Ursprung aller Uebel und Leiden, und 2. Gott hat die Menschen zu ‚freien Geschöpfen' gestaltet, denen die unbedingte Wahl zusteht, sich für das Gute oder Schlechte zu entscheiden.“

Das Betonen der individuellen Verantwortung des Menschen und das Hervorheben der Ethik, des Wissens und der Vernunft als Grundlage menschlichen Urteils zeichnen Johann Christian Teich als einen trotz seiner Lebensumstände erstaunlich reflektierten Exponenten des Zeitalters der Aufklärung aus. Die Bekennung zur Vernunft birgt dabei zugleich eine Skepsis gegenüber jeglicher Dogmatik und Autorität, sei sie kirchlich oder weltlich. Derartige Skepsis war Johann Christian Teich keineswegs von Kindheit an mitgegeben, sondern scheint quasi die logische Folgerung zu sein, zu der ihn die Enttäuschungen im Umgang mit seinen Mitmenschen führen musste. Besonders der Kontrast zwischen der „Mangelhaftigkeit und Unvollkommenheit des menschlichen Wesens“ einerseits und dem Rationalismus, der die Lektüre z.B. naturwissenschaftlicher Darstellungen ihm beibrachte, mag seine Skepsis verstärkt haben. Sie kommt im vorliegenden Band mehrfach deutlich zum Ausdruck, sowohl kirchlichen, politischen als auch militärischen Authoritäten gegenüber. Eine besonders direkte Kritik, fast schon Drohung, richtet er auf Seite 143 gegen Behörden und Machthaber in Verbindung mit dem kleinlichen Prozess gegen ihn wegen unbefugten Holzsammelns im Wald während des Krieges. Die Neigung zur Rebellion scheint Johann Christian Teich dennoch recht fern zu liegen – und sei es nur aus Furcht vor den Folgen, wie er auf Seite 167 andeutet.

Vor allem aber handelt es sich bei Johann Christian Teichs Aufzeichnungen um einen geschichtlichen Beleg aus einer ungewöhnlichen Perspektive, und zwar derjenigen eines Mannes aus „der niedrigen Volksklasse“. Der Autor bemerkt zu Recht gleich zu Anfang seiner Erzählung, dass die schriftliche Fixierung seiner Erinnerungen sich gerade dadurch von der Mehrheit der historischen Berichte abhebt. Die historischen Daten und Fakten z.B. der Kriege Napoleons sind freilich aus anderen Quellen bekannt, außergewöhnlich dagegen sind die ins Detail gehenden Schilderungen der Folgen für die Bevölkerung eines in keiner Weise außergewöhnlichen Dorfes in Sachsen.

Axel Teich Geertinger
Rønne und Kopenhagen (Dänemark), im Juli 2011

Dokumente

In der Einleitung erwähnte Dokumente:

PDF Zittauer Geschichtsblätter Nr. 5 & 6, 1925
PDF Nachtrag zum Testament Georg Teichs, 5. Juli 1948
PDF Testament Georg Teichs, 20. Dezember 1948
PDF Lieferschein Johannes Teich, 11. November 1951